Einfluss von Vorspannkraft und Reibung – Forschungsgruppe untersucht die dynamischen Einflussgrößen bei der Direktsicherung

einfluss-von-vorspannkraft-und-reibungDie Formeln zur Berechnung einer Direktzurrung stammen aus einer Zeit, in der die Berechnungsumstände wesentlich weniger komplex waren als sie es heute sind. Durch Entwicklungen im Bereich der Fahrzeug- und Zurrmitteltechnologie sowie Veränderungen der Ladung stoßen sie heute an ihre Grenzen. Oftmals werden zur Sicherung einer Ladung im Direktzurrverfahren mehr als vier Zurrmittel eingesetzt. Dadurch entstehen z.B. unterschiedliche Zurrwinkel, Längen und Dehnungen, sodass eine gleichmäßige Belastung der Zurrmittel nicht mehr gegeben ist und sie ihre Belastungsgrenze erreichen. Im praktischen Versuch konnte zudem gezeigt werden, dass auch die Vorspannkräfte in den Spannmitteln bei einer Direktsicherung unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls zu ungleichmäßiger Belastungsverteilung führen können. Damit ist eine Berechnung anhand der herkömmlichen Formeln nicht mehr verlässlich.
Ein interdisziplinäres Team aus Sachverständigen und Ingenieuren aus dem Kreise der Forschung, der Industrie, des Sachverständigenwesens und der Sicherungsmittelhersteller – darunter auch Uwe Schöbel, Leiter der Abteilung Technik bei Dolezych – hat daher den Einfluss von Vorspannkraft und Reibungskraft auf die Ladungssicherung beim Direktzurren untersucht. In über 30 Messfahrten wurden anhand modernster Messtechnik die dynamischen Einflussgrößen ermittelt, die sich durch die Fahrbewegung, das Fahrzeug, die Ladung selbst oder die ins Zurrmittel eingeleitete Vorspannkraft ergeben.

 

Die Auswertung der Versuche ergab zwei Ergebnisse

1. Solange die in Wirkrichtung der Reibungskraft eingeleitete Komponente der Vorspannkraft größer ist als die Reibungskraft, wirkt sich die mit den Spannelementen eingeleitete Vorspannkraft nicht zu 100 % auf die Sicherung aus. Die Vorspannkraft addiert sich nicht oder nicht vollständig.

2. Wird die Reibungskraft zwischen Ladegut und Fahrzeugboden größer als die in gleicher Richtung wirkende Komponente der Vorspannkraft, ist festzustellen, dass eine Addition der Kräfte beginnt. Zur Trägheitskraft addiert sich die zuvor eingeleitete Vorspannkraft bis zu 100 %. Eine scharfe Abgrenzung, ab wann die Vorspannkraft sich zur Trägheitskraft addiert und in der Folge Einfluss auf die Sicherungskraft nimmt, konnte mit den bisher durchgeführten Versuchen noch nicht eindeutig festgestellt werden.

 

Resümee und Ausblick

In der Kenntnis, dass bei der Sicherung hoher Ladungsgewichte das Direktzurrverfahren angewandt wird, sollten die Formeln der aktuell anzuwendenden Berechnungsgrundlagen um die auch beim Niederzurren berücksichtigte Vorspannkraft STF ergänzt werden. Die Berücksichtigung sollte so erfolgen, dass die mit dem Spannmittel aufgebrachte Vorspannkraft von der jeweiligen max. zulässigen Zugkraft (LC) des Zurrmittels in Abzug zu bringen ist. Ist die LC des Zurrmittels größer als die zulässige Belastung des Zurrpunktes bzw. des Befestigungspunktes an der Ladung, ist die Vorspannkraft vom schwächsten Glied in Abzug zu bringen. Der so ermittelte Differenzbetrag stellt die noch zur Verfügung stehende Sicherungskraft, die bei der Berechnung zugrunde gelegt werden muss, dar. Als wichtige Erkenntnis kann festgehalten werden, dass die gelebte Praxis Zurrmittel im Direktzurrverfahren nur „Handfest“ – also mit einer Vorspannkraft von nicht mehr als 10% LC – sich als gute und richtige Praxis etabliert hat und diese auch weiterhin beachtet und gelebt werden sollte. Die Autoren streben weitere Untersuchungen an. Sie sollen zusätzlichen Aufschluss zu dieser Thematik geben. Den gesamten Fachaufsatz finden Sie hier: www.lasise.de

Die Frage, ob bei einer Direktzurrung die Zurrmittel mit hoher Vorspannkraft oder lediglich handfest gespannt werden sollten, kann derzeit noch nicht allgemeingültig beantwortet werden. Tendenziell sollten die Zurrmittel bei der Sicherung von schweren Ladungen, die eine große Reibung aufweisen, nicht mit sehr hohen Vorspannkräften gespannt werden. Insbesondere dann, wenn diese Ladungen auf rutschhemmenden Materialien (RHM) wie Antirutschmatten stehen. Eine Kräfteaddition im Zurrmittel könnte zur Überbeanspruchung, schlimmstenfalls zum Versagen des Zurrmittels oder des Zurrpunktes führen. Vorspannkraftanzeigen eignen sich zur Ermittlung der jeweils aufgebrachten Vorspannkraft. Keinesfalls sollten Zurrmittel aber mit mehr als 50% der LC vorgespannt werden.