Wer haftet bei mangelnder Ladungssicherung?

Ladungssicherung im Straßenverkehr ist lebenswichtig. Immer wieder wird vor allem im Verkehrsfunk vor herumliegenden Gegenständen auf der Fahrbahn gewarnt. Schon ein winziges verlorenes Teil kann große Schäden verursachen, wenn es überfahren und dann durch die Luftverwirbelungen in die Höhe geschleudert wird. Oder: Wer kennt nicht den bangen Blick auf den voll beladenen LKW beim Überholen?

Selbstverständlich nach einem Unfall, aber auch, wenn in Kontrollen mangelhafte Ladungssicherung festgestellt wird, steht die Frage der Haftung im Mittelpunkt: Wer ist dafür verantwortlich, dass Ladung korrekt gesichert ist? Wer kommt für den entstandenen Schaden auf?

Diese Fragen eignen sich trefflich dazu, die Gerichte zu beschäftigen. Das wohlbekannte Sprichwort „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht!“ könnte in dieser Frage als Leitspruch ganz oben auf der Agenda stehen.

Die rechtlichen Grundlagen

Verantwortlich sind grundsätzlich alle Personen, die mit dem Vorgang der Ladungssicherung operativ oder strategisch zu tun haben. Stellen Sie sich eine Kette vor, die vom Unternehmenschef bis hin zu den Logistikern und Kraftfahrern reicht; jede im weitesten Sinne beteiligte Person ist in der Pflicht, für korrekte Ladungssicherung zu sorgen.

Da sind die Unternehmer selbst, die Verlader und Frachtführer, die Produzenten der Güter und diejenigen, die in den Unternehmen oder als offizielle Kontrollen die korrekte Ladungssicherung überwachen. Ebenso sind alle Personen verantwortlich, die unmittelbar mit dem Transport zu tun haben: Die Entscheider für die Transportverpackungen, die Gefahrgutbeauftragten beim Transport von Gefahrgut, die Versanddisponenten sowie die Versandleiter.

Auch die Einkäufer von Fahrzeugen und Ladungssicherungsmitteln können zur Verantwortung gezogen werden.

Den Rechtsrahmen bilden die entsprechenden Paragraphen in den einschlägigen Gesetzen. Im Grundsatz ist die Straßenverkehrsordnung zuständig für alle Fragen der Verkehrssicherheit.

Grundsätzliche Regeln in der Straßenverkehrsordnung (StVO)

Bereits der allgemein gehaltene erste Paragraph der StVO ist hier essentiell:

§ 1 Grundregeln

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.


(2) Wer am Verkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

Um die korrekte Ladungssicherung geht es in Paragraf 22:

§ 22

(1) Die Ladung einschließlich Geräte zur Ladungssicherung sowie Ladeeinrichtungen sind so zu verstauen und zu sichern, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen, hin- und herrollen, herabfallen oder vermeidbaren Lärm erzeugen können. Dabei sind die anerkannten Regeln der Technik zu beachten.

Allerdings gibt die Straßenverkehrsordnung keine konkreten Hinweise, wie korrekte LaSi auszusehen hat; sie referenziert auf die „anerkannten Regeln der Technik“. Diese sind in der VDI 2700 „Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen“ und der VDI 2700 Blatt 2 (Juli 2014) (Berechnung von Sicherungskräften – Grundlagen) beschrieben.

Zu verkehrssicherer Verstauung gehört sowohl eine die Verkehrs- und Betriebssicherheit nicht beeinträchtigende Verteilung der Ladung als auch deren sichere Verwahrung, wenn nötig Befestigung, die ein Verrutschen oder gar Herabfallen unmöglich machen.

Verantwortung je nach Funktion

Kommt es zu einem Schaden bzw. wird mangelnde Ladungssicherung festgestellt, wird jedes Glied entlang der Verantwortungskette überprüft. Im Einzelfall wird genau recherchiert, wer seiner Verantwortung zur korrekten Sicherung nicht nachgekommen ist – wohl dem, der seine Geschäftsprozesse transparent und eindeutig dokumentiert! Denn natürlich sind all die genannten Personen in ihrer jeweiligen Funktion in unterschiedlicher Weise im Fokus.

Unternehmensleitungen / Führungskräfte

Die strategische Ebene des Unternehmens muss dafür sorgen, dass Kommunikationswege und der Informationsfluss eindeutig festgelegt und auch dokumentiert sind. Außerdem müssen Führungskräfte per Stichproben überprüfen, ob das theoretische Konstrukt auch in der Praxis umgesetzt wird. Auch dies ist zu dokumentieren und als Nachweis für etwaige Gerichtsverfahren zu archivieren.

Fahrzeugführer

Die Verantwortung des Fahrers ist in § 23 StVO geregelt. Neben dem allgemein formulierten § 22 StVO geht es hier explizit um die Pflicht des Fahrzeugführers:

Wer ein Fahrzeug führt, hat zudem dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug, der Zug, das Gespann sowie die Ladung und die Besetzung vorschriftsmäßig sind und dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung oder die Besetzung nicht leidet.

§ 23 Abs. 1 Satz 1 StVO

Der Fahrer ist also für die betriebssichere Verladung verantwortlich und erster Ansprechpartner bei fehlerhafter bzw. mangelnder Ladungssicherung sowie nach einem Unfall.

Konkret bedeutet das, dass der Fahrer 

  • das zulässige Gesamtgewicht des Fahrzeugs
    • die zulässige Achslast
    • die Mindestachslast
    • und die zulässigen Abmessungen des Fahrzeugs inklusive der Ladung

 im Blick haben und kontrollieren muss.

Außerdem ist der Fahrer nach § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO in der Pflicht, die Ladungssicherung während der Fahrt zu kontrollieren:

Wer ein Fahrzeug führt, muss das Fahrzeug, den Zug oder das Gespann auf dem kürzesten Weg aus dem Verkehr ziehen, falls unterwegs auftretende Mängel, welche die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigen, nicht alsbald beseitigt werden; dagegen dürfen Krafträder und Fahrräder dann geschoben werden.

§ 23 Abs. 2 StVO

Er muss überprüfen, ob durch die auftretenden Kräfte Veränderungen an der Ladungssicherung auftreten und gegebenenfalls reagieren. Hilfreich sind hierbei mitunter digitale Helfer, die die Vorspannkraft von Zurrgurten überwachen und die Daten in die Fahrerkabine übertragen. So misst beispielsweise der iGurt in Echtzeit die reale Vorspannkraft eines Zurrgurts während der Fahrt. In der zugehörigen App auf dem Smartphone des Fahrers werden die Werte angezeigt bzw. bei zu geringer Spannung gewarnt.

Spediteur, Frachtführer, Fahrzeughalter, Disponent

Grundsätzlich gilt: Alle beteiligten Personenkreise müssen darauf achten, dass die Fahrzeuge technisch einwandfrei und entsprechende Hilfsmittel zur Ladungssicherung vorhanden sind!

Fahrzeugführer und -halter müssen den verkehrssicheren Zustand des beladenen Fahrzeugs gewährleisten, im Zweifelsfall auch dafür sorgen, dass nachgebessert wird oder sich im Extremfall weigern, das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen – vgl. § 31 StVZO.

Für den Fahrzeughalter ist die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) maßgeblich. Die Paragraphen §§ 30 und 31 über die Beschaffenheit von Fahrzeugen (§30) und die Verantwortung für den Betrieb der Fahrzeuge (§31) klären auf:

§ 30 StVZO – Beschaffenheit der Fahrzeuge

(1) Fahrzeuge müssen so gebaut und ausgerüstet sein, dass

1. ihr verkehrsüblicher Betrieb niemanden schädigt oder mehr als unvermeidbar gefährdet, behindert oder belästigt,

2. die Insassen insbesondere bei Unfällen vor Verletzungen möglichst geschützt sind und das Ausmaß und die Folgen von Verletzungen möglichst gering bleiben.

§ 30 StVZO – Beschaffenheit der Fahrzeuge

§ 31 StVZO – Verantwortung für den Betrieb der Fahrzeuge

Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung 

(1) Wer ein Fahrzeug oder einen Zug miteinander verbundener Fahrzeuge führt, muss zur selbstständigen Leitung geeignet sein.

(2) Der Halter darf die Inbetriebnahme nicht anordnen oder zulassen, wenn ihm bekannt ist oder bekannt sein muss, dass der Führer nicht zur selbstständigen Leitung geeignet oder das Fahrzeug, der Zug, das Gespann, die Ladung oder die Besetzung nicht vorschriftsmäßig ist oder dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung oder die Besetzung leidet.

§ 31 StVZO – Verantwortung für den Betrieb der Fahrzeuge

Disponenten haben vor allem die Abmessungen und zulässigen Gewichte im Blick, um sicher zu stellen, dass die Ladegüter auf das betreffende Fahrzeug geladen werden dürfen. Sie müssen also detailliert über die Ladung Bescheid wissen. Für die Tourenplanung sind die Aspekte der Ladungssicherung ebenfalls zu beachten: Ist auch nach einer Teilentladung die korrekte LaSi gewährleistet? Auch der Lastverteilungsplan muss zu jeder Zeit eingehalten werden.

Verlader, Absender, Verladepersonal

Per Definition ist der Verlader verantwortlich für die sichere Verladung. Juristisch ist jedoch weder aus der StVO noch der StVZO direkt ersichtlich, wer für das Beladen des Fahrzeugs zuständig ist. Hier gilt es, einen Blick auf das Zivilrecht und auf (ggf. interne) Verträge und Beförderungsbedingungen zu werfen. Theoretisch kann der Verlader die konkrete Sicherungsarbeit delegieren.

Es kann durchaus sinnvoll sein, mit Fotos zu dokumentieren, wie Fahrzeug und Ladung nach der Verladung bzw. kurz vor Abfahrt aussehen.

Bei etwaigen Konflikten mit dem Fahrer, der gegenüber dem Verlader nicht weisungsgebunden ist, sollten die strittigen Punkte ebenfalls dokumentiert werden, zum Beispiel in den Frachtpapieren. Auch gut sichtbare Aushänge an der Ladestelle, die auf die Pflicht zur korrekten Ladungssicherung hinweisen, sind hilfreich.

Soweit sich aus den Umständen oder der Verkehrssitte nicht etwas anderes ergibt, hat der Absender das Gut beförderungssicher zu laden, zu stauen und zu befestigen (verladen) sowie zu entladen. Der Frachtführer hat für die betriebssichere Verladung zu sorgen.

§ 412 HGB – Verladen und Entladen. Verordnungsermächtigung

Grundsätzlich also trägt der Absender ebenfalls die Verantwortung für Ladungssicherung. Die Ausführung kann er an weitere Personen delegieren, nicht aber die Verantwortung für die lebenswichtige korrekte Sicherung der zu transportierenden Ladung.

Die juristischen Grundlagen für die Konsequenzen

Als Beispiel sei hier auf ein Urteil des Amtsgerichts Tübingen aus Juni 2020 verwiesen. Glücklicherweise ging es hier lediglich um fehlende Ladungssicherung, die bei einer Kontrolle auffiel, nicht aber um einen Unfall.

Für die Ansprüche, die sich aus den Konsequenzen mangelnder Ladungssicherung ergeben, sind neben der StVO, der StVZO und dem HGB auch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und das Strafgesetzbuch (StGB) heranzuziehen. Detaillierte Informationen finden Sie in nebenstehendem Kasten.

Maßgebliche Paragraphen

  • Als Folgen der Pflichtverletzung werden bei mangelnder Ladungssicherung Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Diese ergeben sich aus dem Beförderungsrecht nach Handelsgesetzbuch (HGB) in den Paragraphen § § 411, 412, 425, 427, 451a und 451d.
  • Gemäß Straßenverkehrsgesetz (StVG) § 7 und § 18 können auch zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden.
  • Darüber hinaus greift auch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) gem. § 823 und § 831. Hinzu kommen entsprechende Bußgelder und bei entsprechender Schwere erfolgt eine Eintragung im Fahreignungsregister (bis 2014 Verkehrszentralregister). Die gesetzliche Grundlage hierfür sind die Paragraphen §§ 22, 23, 32 (Verkehrshindernisse) der StVO und die entsprechenden Abschnitte der StVZO (§§ 30, 31).
  • Bei schwerwiegenden Verstößen sowie Gefährdung von Personen können auch die Paragraphen §§ 222, 229, 315, 324 und 328 des Strafgesetzbuchs (StGB) herangezogen werden.