Warum sind Normen so wichtig?

Dipl.-Ing. Uwe Schöbel,
Leiter Technik bei Dolezych

Normen bestimmen einen großen Teil unseres Lebens. Sie geben Verbrauchern Sicherheit und vereinfachen und fördern den nationalen und internationalen Handel. Verantwortlich für die Normung in Deutschland ist das Deutsche Institut für Normung in Berlin (DIN), das am 22. Dezember 1917 gegründet wurde. Es beschreibt sich selbst als „unabhängige Plattform für Normung und Standardisierung in Deutschland und weltweit […]. Rund 36.000 Expert*innen aus Wirtschaft und Forschung, von Verbraucherseite und der öffentlichen Hand bringen ihr Fachwissen in den Normungsprozess ein, den das DIN als privatwirtschaftlich organisierter Projektmanager steuert. Die Ergebnisse sind marktgerechte Normen und Standards, die den weltweiten Handel fördern und der Rationalisierung, der Qualitätssicherung, dem Schutz der Gesellschaft und Umwelt sowie der Sicherheit und Verständigung dienen“ (vgl. DIN-Website).

Durch die Verbreitung von Wissen entsteht Wachstum. Normen fördern also das Wirtschaftswachstum, da sie Expertenwissen für jeden zugänglich machen. Nach Angaben des DIN entsteht durch Normen allein in Deutschland ein volkswirtschaftlicher Nutzen in Höhe von 17 Milliarden Euro.

Auch in der Seil-, Hebe-, Anschlags- und Ladungssicherungstechnik sind Normen sehr relevant. Auch wir bringen unser Wissen regelmäßig in die Normierungsarbeit ein; neben Udo Dolezych (als Obmann des DIN-Arbeitsausschusses NA 106-01-03 AA „Chemiefaserhebebänder und Zurrgurte“), Tim Dolezych und Karl-Heinz Keisewitt sind auch unsere Technik-Experten in vielen DIN-Arbeitskreisen vertreten.

Wir wollten genauer wissen, was es mit Normen auf sich hat und haben bei unserem Leiter Technik, Dipl.-Ing. Uwe Schöbel, nachgefragt. Uwe Schöbel ist selbst Mitglied in unterschiedlichen Gremien für diverse Normen.

Herr Schöbel, der Begriff „Normen“ ist in aller Munde. Aber was sind Normen eigentlich genau?

Das Institut für Normung definiert eine Norm ganz einfach: „Eine Norm ist ein Dokument, das Anforderungen an Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren festlegt.“ Damit werden zum Beispiel bestimmte Anforderungen an die Genauigkeit oder Materialbeschaffenheit festgeschrieben. Oftmals wird in einer Norm auch ein Mindestvorgabewert definiert, zum Beispiel ein Sicherheitsfaktor bezüglich der Bruchkraft eines Produktes.

Aktuell gibt es rund 34.000 Normen. Bekannte Beispiele einer Norm sind die DIN-Formate A0 bis A10 oder Gewindebezeichnungen.


Diese Regelungen und Anforderungen aus den Normen gelten nach Veröffentlichung als „anerkannter Stand der Technik“. Hersteller können sich bei der Beschreibung ihrer Produkte auf die Einhaltung der normativen Anforderungen beziehen und so zum Beispiel die Sicherheit ihrer Produkte dokumentieren. Allerdings sind Normen sind keine Gesetze, sondern Empfehlungen. Die Anwendung einer Norm ist grundsätzlich freiwillig. Erst wenn diese Norm zum Beispiel in Verträgen zitiert wird oder sogar der Gesetzgeber die Einhaltung zwingend vorschreibt, werden Normen bindend.

Wie entstehen Normen? Kann jede(r) mitmachen?

Jeder kann einen Antrag auf Normung stellen. Erarbeitet werden Normen von allen Kreisen, die sich näher dafür interessieren. „Interessierte Kreise“ sind zum Beispiel Verbände, Firmen, Vereine, aber auch ein einzelner Anwender. Dieses „Prinzip der Vielen“ ist ein Grund für die breite Akzeptanz der Normen.


Aber selbst diejenigen, die nicht bei der Erarbeitung eingebunden waren, haben die Möglichkeit, im Rahmen der Veröffentlichung der Normentwürfe ihre Meinung einzubringen.

Übrigens werden alle 5 Jahre die Normen überprüft, dabei wird z. B. die Frage gestellt, ob technische Weiterentwicklungen berücksichtigt werden müssen.

Was ist der Unterschied zwischen nationalen und internationalen bzw. europäischen Normen?

Das DIN vertritt die deutschen Interessen in der europäischen Normung – also beim CEN.

CEN steht dabei für Europäisches Komitee für Normung (französisch Comité Européen de Normalisation; englisch European Committee for Standardization; Anm. der Redaktion).

International gibt es noch die ISO (Internationale Organisation für Normung, englisch International Organization for Standardization, Anm. der Redaktion), auch hier vertritt das DIN die deutschen Interessen.


Der Unterschied liegt im Geltungsbereich. Während nationale Normen nur in dem Land gültig sind, in dem sie veröffentlicht wurden, müssen CEN Normen europaweit beachtet werden und ISO Normen sogar weltweit.

Welchen Stellenwert haben Normungsarbeit und Normen für uns als Dolezych?

Wir produzieren Produkte, von denen Menschenleben abhängig sind. Als Hersteller sicherheitsrelevanter Produkte haben wir daher großes Interesse daran, an Sicherheitsnormen mitzuwirken oder sogar die Erstellung von neuen Normen anzuregen.

Udo Dolezych legt als Obmann des DIN-Ausschusses für Hebebänder, Rundschlingen und Zurrgurte stets großen Wert auf die fachliche Mitarbeit beim DIN.

Die Teilnahme unserer Experten an mittlerweile unzähligen Sitzungen in DIN-Gremien (national) und in CEN-Gremien (europaweit) hat im Ergebnis die Erstellung vielbeachteter Normen gebracht. Dazu gehören etwa die DIN EN 12195-Normenreihe zur Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen oder die DIN 1492-Normenreihe zu textilen Anschlagmitteln. Aber auch bei Seil- und Kettennormen arbeiten wir mit.

Als Hersteller halten wir uns an normative Vorgaben, weil dadurch der Nachweis, dass wir uns korrekt verhalten haben, einfacher geprüft werden kann. Wir verstehen die Vorgaben der Norm als das Mindestmaß an Sicherheit, das wir bieten sollten. Viele unserer Produkte sind darüber hinaus geprüft; sie sind also leistungsfähiger beziehungsweise „sicherer“, als die jeweilige Norm es vorgibt.

Was ist der Unterschied zwischen einer Norm und einer Richtlinie?

Auf den ersten Blick gibt es keinen großen Unterschied. Auch die Richtlinien des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) sind anerkannte Regeln der Technik.

Sowohl die DIN-Norm als auch die VDI-Richtlinie sind grundsätzlich „nur“ Empfehlungen. Solange sie also nicht in einer Verordnung festgeschrieben sind, sind sie keine gesetzlichen Vorschriften.

Im Falle der Ladungssicherung beispielsweise, also bezüglich der VDI 2700 sowie der DIN 12195, gibt es aber diesen Vorschriftscharakter, weil die Straßenverkehrsordnung eindeutig auf den „anerkannten Stand der Technik“ – und damit auf diese Normen und Richtlinien – verweist.

Unterschiede finden sich in der Entstehung der Regeln. Die VDI-Richtlinien erarbeiten Ingenieure für Ingenieure. Etwa 10.000 Experten aus Wissenschaft, Industrie und öffentlicher Verwaltung sind daran ehrenamtlich beteiligt. 

Die VDI-Gremien arbeiten also nicht mit den „interessierten Kreisen“, die bei der Entwicklung der DIN-Normen gehört werden, sondern mit Spezialisten.

Als wichtigste Richtlinie des VDI ist in unserem Bereich die bereits genannte VDI 2700 Richtlinienreihe zu nennen. Auch hier arbeiten wir von Anfang an mit. Diese Richtlinie regelt zum Beispiel die Anwendung der Ladungssicherungsmittel. Nicht nur in Deutschland, sondern auch grenzüberschreitend zählt sie zum anerkannten Stand der Technik.


Es gibt Überschneidungen zwischen DIN und VDI, daher koordinieren sich die Ausschüsse über Schnittstellen und stimmen ihre Arbeitspakete ab.

Welche bekannten Normen gibt es?

Jeder kennt DIN-Normen für Papierformate, zum Beispiel die DIN EN ISO 216, besser bekannt als DIN A4. Seit 1922 sorgt diese Normierung dafür, dass durch die Vereinheitlichung der Papiermaße ein Briefbogen in jeden Drucker oder (DIN-lang) Briefumschlag passt.

Bei Schrauben und Muttern helfen die Gewindenormen. Die (genormte) Mutter unterschiedlicher Hersteller passt so auf die jeweilige (genormte) Schraube.

Im Bereich des Hebens und Transportierens gibt es eine Vielzahl an Normen. Für Hebebänder und Rundschlingen aus Chemiefasern gibt es beispielsweise die Normen DIN EN 1492-1 „Flachgewebte Hebebänder aus Chemiefasern für allgemeine Verwendungszwecke“ und die DIN EN 1492-2 „Rundschlingen aus Chemiefasern für allgemeine Verwendungszwecke“, um nur zwei Normen zu nennen.

Für die Ladungssicherung ist die bereits angesprochene DIN EN 12195-Normenreihe zur Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen grundlegend.

Herr Schöbel, herzlichen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch.